Lücke in der Pflegepolitik

Paderborn (cpd). Sie füllen die Lücken in der Pflege von alten Menschen in Deutschland: Zwischen 150.000 und 300.000 Menschen, meist Frauen aus Mittel- und Osteuropa, leben im Haushalt pflegebedürftiger Personen und ermöglichen ihnen, ihren Lebensabend in der vertrauten Umgebung zu verbringen. Experten schätzen, dass 90 Prozent von ihnen in der Schwarzarbeit tätig sind. Claudia Menebröcker, die beim Diözesan-Caritasverband Paderborn das kleine, aber bundesweit beachtete Projekt „CariFair“ betreut, fordert gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband von der Politik ein Konzept zu fairen Arbeitsbedingungen in der Pflege-Migration. Nötig seien Mindeststandards, unter anderem Qualitätsstandards für Agenturen, die im Haushalt lebende Hilfen vermitteln.

„In der Politik werden die Arbeitsbedingungen dieser Menschen vernachlässigt“, kritisiert Claudia Menebröcker. „Viele von ihnen haben unklare Arbeitszeiten und eine unzureichende soziale Absicherung.“ Die Existenz dieser „Pendelmigration“ von Haushaltshilfen aus Osteuropa nach Deutschland sei ein klares Zeichen dafür, dass die Pflegepolitik Lücken aufweise. In die gesetzliche Grauzone, in der die Betreuungskräfte tätig seien, müsse dringend Licht gebracht werden, sagt Claudia Menebröcker. „Im Haushalt lebende Hilfen müssen die gleichen Arbeitsrechte haben wie andere Arbeitnehmer in Deutschland. Sie brauchen den Schutz der Sozialversicherungen und müssen vor Ort verlässlich begleitet werden.“

Dass das funktionieren kann, zeigt das Projekt „CariFair“. Es sorgt dafür, dass Betreuungskräfte aus Polen zu fairen Bedingungen in deutschen Pflege-Haushalten beschäftigt werden. Entwickelt wurde dieses Modell von der Caritas im Erzbistum Paderborn vor zehn Jahren. Mehr als 500 Betreuungskräfte sind aktuell in ganz Deutschland in etwa 350 Familien im Einsatz. 18 örtliche Caritasverbände im gesamten Bundesgebiet tragen gemeinsam CariFair (www.carifair.de). Im Unterschied zu den meisten Agenturen basiert die Beschäftigung bei CariFair auf dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Modell. Die Familie der pflegebedürftigen Person ist Arbeitgeberin, die Betreuungskraft angestellte Arbeitnehmerin. Beide schließen einen Arbeitsvertrag mit festgelegtem Beschäftigungsumfang und einem tariflich vereinbarten Gehalt.

Die Betreuungskräfte sind sozialversichert und zahlen in Deutschland Steuern. Sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub und auch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Begleitet werden sie von einer zweisprachigen Koordinatorin. „Durch die Einbindung weiterer Dienste wie etwa von Tagespflege, Sozialstation und Betreuungsdienst kann die Freizeit für Betreuungskräfte organisiert werden, auch wenn dieses nicht immer einfach ist“, erklärt Claudia Menebröcker. Die verbindliche Zusammenarbeit mit einer Sozialstation sichere zudem die pflegefachliche Begleitung.

Die Betreuungskräfte aus dem Ausland seien zwar eine wichtige Stütze in der ambulanten Pflege, sagt Claudia Menebröcker. „Trotzdem ist die Politik aufgefordert, diese nicht wie selbstverständlich einzuplanen, sondern perspektivisch Konzepte zu entwickeln, die weniger auf die Unterstützung ausländischer Kräfte setzen. Alternativen für nachhaltige Pflege und Versorgungsmodelle sollten europaweit gefordert und gefördert werden.“